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Hilfreich im Unterricht

Stärkung und Vertiefung des Lernens mit Humor

09.04.2023

Kein Witz. Durch die tiefe Verbindung des Lachens mit körperlichen Ebenen, kann der Einbezug von Humor im Unterricht helfen, den Lernerfolg zu verstärken. Mit langfristig positiver Wirkung für die lernenden Kinder.

Was bleibt uns in Erinnerung aus der Schulzeit? Wenn ich an meine eigene Kindheit zurückdenke, fallen mir vor allem Momente und Situationen ein, in denen die üblichen Pfade des Unterrichts verlassen wurden. In denen Aussergewöhnliches geschah oder gemacht wurde. In jedem Fall Momente, die durch Emotionen erinnerungswürdig wurden. Im Positiven wie im Negativen. Ich erinnere mich heute noch an Lerninhalte, die uns auf unkonventionelle Art und Weise vermittelt wurden. Und ich kann sie heute noch genauso wiedergegeben, wie wir sie vor Jahrzehnten gelernt haben. Viele andere, die keine spezielle Verankerung erhalten haben, hingegen nicht.

Brigitte Schanz an der Fachtagung 2022

Brigitte Schanz an der Fachtagung 2022

Der VZL DaZ-Fachtagung 2022 haben wir das Thema «Humor – ein Lebens- und Lernelixier» gegeben. In einem interaktiven Hauptreferat hat uns Brigitte Schanz, eine erfahrene Erwachsenenbildnerin und Clownin, umfassend Einblick gegeben in die freudvolle Welt des Humors. In seine tiefreichende körperlich-emotionale Verwurzelung, seine Bedeutungen, seine Spiel- und Wesensarten. Sie hat uns in kleinen Übungen und Versuchen selbst erleben lassen, wie sich seine unwillkürlich wohltuende Wirkung entfaltet. Und sie hat uns vielfältige Möglichkeiten und einfach nachvollziehbare Ideen zum Einbezug des Lachens in unser berufliches Handeln als Lehrpersonen mitgegeben. In verschiedenen Workshops konnten die Teilnehmenden am Nachmittag dieses Themenfeld weiter vertiefen.

Neurologische Ebene

Die Bedeutung des lateinischen Nomens humor bedeutet Feuchtigkeit. Der Wortstamm zeigt sich auch im englischen humid (feucht). Gemeint sind die Körpersäfte. In deren antiken Lehre der Humoralpathologie zeigt sich bereits die enge Verzahnung des Lachens mit Körper und Geist. Das Lachen ist ein unwillkürlicher Vorgang. Wir können uns dem Drang zum Lachen nicht entziehen, wenn uns die Komik einer Situation anspricht. Und es ist ansteckend. Zudem verdrängt es vordergründige Gefühlslagen und Gedanken. Im Lachen werden sehr ursprüngliche neurologische Strukturen in uns Menschen angesprochen. Dies können wir als Lehrpersonen nutzen, um schwer zu fassenden oder trockenen Lerninhalten eine bessere Basis zur langfristigen Verankerung im Gedächtnis zu geben.

Fokusverlagerung

Wichtiger noch scheint mir das Momentum der Fokusverlagerung, die im Lachen geschieht. Eigentlich schon davor, wenn wir als Lehrpersonen erkennbar einen überraschend anderen Weg einschlagen als üblich. Indem wir eine komische Situation kreieren und uns den Schülerinnen und Schülern ausnahmsweise in einer anderen Rolle begegnen. Wenn es gelingt, schaffen wir eine neue Form der gleichen Augenhöhe. Wir sind nicht nur Lehrperson als Autoritätsperson, sondern zeigen eine Seite unseres Menschseins, die sonst kaum zum Vorschein kommen kann. In dieser Atmosphäre vertieft sich die Beziehung, wächst das Vertrauen. Wir fokussieren wieder den eigentlichen Gehalt des aktuellen Lehrstoffs und vertiefen so den Lerneffekt.

Wackelaugen: simpel und wirkungsvoll
(Foto von Franco Antonio Giovanella, unsplash.com)

Wackelaugen: simpel und wirkungsvoll (Foto von Franco Antonio Giovanella, unsplash.com)

Selbstverständlich lassen sich solche Momente nicht dutzendfach wiederholen und replizieren. Wir müssen also ein Gespür dafür entwickeln, wann eine humorvolle Einlage sinnvoll ist und diese selektiv nutzen für die besonders herausfordernden Momente. Und wir müssen uns selbst gut kennen und eine humoristische Intervention vorab explorieren und ausprobieren. Vor allem, wenn wir nicht ein Naturtalent der Komik sind. Aber ich bin sicher, wir alle haben solche Talente. Und sei es nur eine kurze und umwerfend komische Mimik, die wir vor dem Spiegel einüben. Oder wir kleben zwei Wackelaugen auf eine Hand und lassen „die Hand reden“. Auch so verlagert sich der Fokus und die Blicke der Kinder werden unwillkürlich angezogen. Sie alle kommen an die Reihe und geben ihrer Hand die Stimme.

Auch andere minimalistische Spiele können funktionieren, in die wir die Lernenden einbeziehen. So entsteht die Komik mehr unter den Schülerinnen und Schülern, statt ausgehend von uns als Lehrperson. Der Klassiker ist die rote Nase, die uns Brigitte Schanz eindrücklich nahegebracht hat. Jedes Kind zieht die Nase kurz an und sagt das schwierige Wort oder den sperrigen Satz mal so. Natürlich erst, wenn wir es kurz vorgemacht haben und uns selbst in dieser clownesken Art gezeigt haben.

Situationen

Im Grunde braucht es keine besondere situative Voraussetzung für einen Einbezug von Humor in den Unterricht. Aber mir fallen einige Situationen ein, in denen Heiterkeit und Lachen sehr hilfreich sein könnten:

  • Schwer zu lernende Inhalte
    Wir können die körperliche Ebene im Lachen zu nachhaltigem und vertieftem Lernen nutzen.
  • Schüchternheit oder Hemmungen
    Wir können das gemeinsame Lachen als Türöffner nutzen und Hemmungen nachhaltig mindern und Selbstwirksamkeit stärken.
  • Schwach ausgeprägte Motivation
    Wir können die intrinsische Motivation für das (DaZ-)Lernen stärken.
  • Schwierige Gruppendynamik
    Wir können Humor als vertrauensbildende und verbindende Ebene nutzen.
  • Verweigerungshaltungen
    Wir können versuchen, mutmassliche Gesprächsweigerungen und Teilnahmslosigkeit mit Komik (eventuell auch in wortloser Form) zu überwinden.

Fazit

Der Einbezug von Humor im Unterricht ist keinesfalls frei von Risiken. Als Lehrpersonen sind wir prädestiniert, empathisch zu sein und ein Gespür zu haben für individuelle Verletzlichkeiten. Auch wissen wir als DaZ-Lehrpersonen um den interkulturellen Kontext und seine Fragilität. Wir müssen wachsam sein, dass das Lachen nicht auf Kosten einzelner geht und solche Tendenzen sofort ansprechen und unterbinden, falls sie auftauchen. Aber es gibt viel zu gewinnen. Mehr als wir vielleicht zunächst denken. Unsere Lernenden, vorwiegend Kinder, können ein Leben lang profitieren.

Unseres Wissens kommt diese Themenfeld nicht im Curriculum der Pädagogischen Hochschulen vor. Wir plädieren dafür, dass es Eingang findet in die Ausbildungspraxis von Lehrpersonen.

Thomas Gränicher

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